Münchner Strukturputze

Interview zur energetischen Fassadensanierung des Wohnhauses am Elisabethplatz in München-Schwabing von Dominik Thoma mit Markus Wassmer (Auszug)

Dominik Thoma: Wie waren die Kriterien für die Wahl der Putzoberfläche?

Markus Wassmer: Das fünfgeschossige Wohngebäude am Elisabethplatz ist ein typischer Vertreter der fünfziger Jahre. Auf die prominente städtebauliche Lage reagiert es mit einer bescheidenen,  jedoch klar gegliederten Fassade mit zweiteiligen Doppelfenstern und Loggien. Als Besonderheit wurde ein Nesterputz aufgebracht, der zu den schmalen, leicht vertieften, glatten Fensterfaschen einen Kontrast schafft. Im Rahmen der energetischen Sanierung, bei der eine Außendämmung aufgebracht wurde, stellte sich auch die Frage der Putzart. Aufgrund des unmittelbaren Gegenübers zur Berufsschule für das Fahrzeughandwerk, erbaut im Jahre 1902/03 nach den Plänen von Theodor Fischer, sowie der Nachbarschaft von Jugendstilgebäuden bot sich an, dem Putz eine besondere Bedeutung zuzuweisen. Wir entschieden uns, auf die neue Außendämmung wiederum einen Nesterputz aufzubringen, auch um dem schlichten Wohngebäude erneut einen spezifischen Ausdruck zu verleihen, aber auch um eine alte Putztechnik aus der Zeit wieder aufzugreifen – sozusagen als historischer Bezug.

Welche Wirkung war mit dem Strukturputz beabsichtigt?

Der Nesterputz ist durch geglättete und unbearbeitete, rauhe Flächen charakterisiert. Der Verteilung ergibt sich durch die handwerkliche Bearbeitung. Der Glättvorgang im Nachgang hinterlässt die typischen Nester. Durch den Kontrast zwischen rauhem, tieferliegenden und geebneten, glatten Flächen entsteht eine lebhafte, aufgelockerte Putzoberfläche. Die Vertiefungen der für den Strukturputz erzeugen insbesondere bei Streiflicht der Morgen- oder Abendstunden ein subtiles Spiel zwischen Licht und Schatten.

Gab es Schwierigkeiten bei der Entwicklung der Struktur oder bei der Bemusterung?

Nein, zunächst nicht, die Struktur war ja im Bestand bereits vorhanden. Jedoch wollten wir den Nesterputz nicht einfach „kopieren“, sondern eigenständig interpretieren. Als wir uns für die Umsetzung der Strukturputzfassade in der Nesterputztechnik entschieden hatten, wurden zunächst Putzmuster angefertigt. Die angelegten Nester gefielen uns auf Anhieb, sowohl im Verhältnis zur glatten Fläche als auch in der Kornstärke. Leider stellte sich schnell heraus, dass für das verwendete Produkt mit seinem 6mm Korn keine Zulassung auf ein Wärmedämmverbundsystem nachzuweisen war. Daher waren wir gezwungen, den Hersteller zu wechseln und zu improvisieren. Für eine weitere Bemusterung hatten wir daher den Nesterputz zweilagig herstellen lassen: in der ersten Lage als Kellenspritzbewurf mit eine Kornstärke von 5mm und in der Zweiten als Putzanwurf mit anschließendem Glättvorgang. Es wurden sozusagen zwei Kellenspritzbewürfe durchgeführt, für die die Firma Baumit die nötigen Zulassungen vorweisen konnte.

War es schwierig, geeignete Handwerker für die Ausführung der Strukturputzfassade zu finden?

Ja, absolut. Leider ist es so, dass sich immer weniger Handwerker finden, die komplexere und vor allem handwerklich aufwändige Strukturputze herstellen können. Wir haben zwar ein gutes Netzwerk an Putzern, aber das Handwerk stirbt immer mehr aus. Hinzu kommt, dass die Ausschreibungen, die nicht den Standard beschreiben, häufig von Firmen unterschätzt werden. Wir hatten bei der Fassade am Elisabethplatz auch das Gefühl, dass sich die Firmen trotz guter Leistungsbeschreibung nicht genug mit den spezifischen Anforderungen auseinandersetzten.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gewonnenen und was war für Sie der Mehrwert einer Strukturputzfassade?

Der Nesterputz erzeugt eine zurückhaltende, besondere Wirkung und verwandelt das Gebäude je nach Licht. Damit wird nicht nur die städtebauliche Präsenz am prominenten Elisabethplatz gewürdigt, sondern genauso eine historische Putztechnik. Unser Verständnis von Architektur gründet auf einem Miteinbezug von historischen Gebäudetypologien, von subtilem räumlichen Verständnis und auf einem hohen Bewusstsein für handwerkliche Fertigung. Die Qualität unserer Bauten zeigt sich oft erst auf den zweiten Blick, sie liegt im Zurückhaltenden und Subtilen.

Das Interview ist ein Auszug aus dem Buch:
 
Bildlegende (von oben nach unten):
 
 
 
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