Blog Interview Anne Lacaton
Interview von Mathieu Wellner mit Anne Lacaton / Lacaton&Vassal, Paris
Mathieu Wellner: Meine ersten Fragen in diesem Gespräch beziehen sich auf Ihren Umgang mit der Technologie; in diesem Zusammenhang habe ich eine Zweideutigkeit bezüglich des „Gewichts“ ihrer Gebäude festgestellt. Sie arbeiten häufig mit Stahl – Stahl ist ein sehr schweres Material. Ihr Partner Jean-Philippe Vassal hat in einem Interview erzählt, dass Ihr Ingenieur nicht nur Ihre Gebäude statisch berechnet, sondern immer auch deren Gewicht.
Anne Lacaton: Ja, das stimmt.
Das Verhältnis von Gewicht und Preis, das bei Stahl bei ungefähr 2 Euro pro 1kg Stahl liegt, erklärt schon die Wichtigkeit dieser Relation. Da Sie, in Ihren Projekten, immer versuchen einen maximalen Raum für das vorgegebene Budget zu bauen, ist der Faktor Gewicht natürlich wichtig.
Was den Stahl angeht ist das natürlich so, da man Stahl nach Gewicht bezahlt. Was nicht bei allen Materialien so ist. Aber Ihre Frage betrifft auch die komplexen Überlegungen der Konzeption unserer Entwürfe, wo man gleichzeitig sehr unterschiedliche Entscheidungen fällen muss.
Aber, wird das Gewicht eines Gebäudes somit nicht zu einem architektonischen Kriterium? Anders gesagt, welche Wichtigkeit hat das Gewicht Ihrer Architekturen?
Nun ja, den Begriff „Gewicht“ muss man zuerst in seinem wirtschaftlichen Kontext sehen, wenn man von Stahl und anderen schweren Materialien spricht. Später kommt man zu einer anderen Definition, nämlich weg vom Gewicht, hin zur Leichtigkeit. Ihre Frage zielt also, denke ich, vor allem auf das Minimum an Materie, das man benötigt um ein Gebäude zu bauen. Und das sind, in der Tat, Themen die uns auf verschiedenen Ebenen beschäftigen. Im Bereich des Raumes deswegen, weil die Leichtigkeit uns physisch, intellektuell und als Raumempfinden interessiert. Die Wirtschaftlichkeit spielt ab einem bestimmten Zeitpunkt natürlich auch eine Rolle, weil ein Minimum natürlich auch weniger kostet. Ich meine hierbei nicht das Konzept des ästhetischen Minimums, welches sehr kostspielig sein kann.
Eines Ihrer Leitmotive bezüglich des Gewichts ist, dass Sie durch die Leichtigkeit der Gebäude einen Mehrwert im Raumprogramm, den sogenannten „surplus-space“ schaffen. Die Bauherren der Häuser in Floriac oder Saint Pardoux haben durch diese Praxis fast doppelt so viel Raum bekommen, als gewöhnlich veranschlagt.
Ja, das ist richtig. Wir versuchen nie mehr Materie als nötig in die Konstruktion unserer Gebäude zu stecken. Das ist uns sehr wichtig. Eine Konstruktionsart, die so etwas zulässt, wie beispielsweise das Bauen mit Stahl oder mit Gewächshäusern, gibt uns die Möglichkeit gewisse Sachen zu erforschen.
Wenn schwer mit teuer gleichzusetzen ist, dann muss leicht gleichzeitig billig sein. Oft stuft man Ihr Büro als „billige Architekten“ ein und wir wissen beide, dass das gar nicht zutrifft.
Ich finde, dass Sie völlig recht haben darauf hinzuweisen, dass es ein Fehler ist, uns in die Kategorie „billig“ einzustufen. Es ist nicht unser Ziel billig oder teuer zu sein; wir arbeiten gar nicht mit diesen Begriffen. Unser Ehrgeiz und Ziel ist es nach der bestmöglichen Raum- und Lebensqualität zu suchen. Das hat immer Priorität. Damit beginnen wir und der Rest ergibt sich daraus. Was für mich zählt beim Entwurf eines Raumes, ist maximale Lebensqualität zu schaffen. Das ist oft die Aussicht nach draußen, das Licht, die Belüftung und noch viele andere Dinge. Wenn man auf diese Weise ein Projekt beginnt, stellen sich natürlich bald die Fragen nach der Struktur und dem Material, um diese erwünschte Qualität zu erreichen.
Ist Ihre Architektur nicht auch deshalb so günstig, weil Ihren Projekten das Adjektiv „high“ im Begriffspaar „high-tech“ fehlt, oder weil Sie mit gewöhnlichen Materialien arbeiten, anstatt neue zu erfinden?
Wenn man die sogenannten „light“- Architekturen von beispielsweise Richard Horden, oder die Leichtigkeit der „high-tech“-Gebäude eines Norman Fosters sieht, dann stellt man fest, dass diese nicht günstig, sondern ganz im Gegenteil extrem teuer sind.
Das „high“ ist nicht unser Problem. Ich möchte damit sagen, dass selbst eine extrem einfache Technik uns sehr interessieren könnte. Die gekünstelte Technik ist dagegen nicht unsere Sache. Wobei sie uns doch interessieren könnte, sobald sie einen gewissen Komfort oder andere interessante Dinge erzeugt. Aber lassen Sie mich noch etwas zum Thema Preis sagen, denn man kann es gar nicht oft genug wiederholen. An unserer Vorgehensweise ändert sich nichts, ob wir ein großes oder ein kleines Budget haben. Da gibt es einfach keinen Zusammenhang. Man sollte immer den Mehrwert betrachten, den wir einem Projekt geben konnten.
Das Interview ist ein Auszug aus dem Buch:
Wechselseitigkeit
Zu Architektur und Technik
Markus Wassmer, Florian Fischer, Ueli Zbinden (Hrsg.)
Verlag:
Technische Universität München
Fakultät für Architektur
Lehrstuhl für Entwurfsmethodik
Univ.-Prof. em. Ueli Zbinden
Fotos: ©Lacaton&Vassal, Paris